Der Luftverkehr wird nur klimaneutral, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Ein Gastbeitrag von der Grünen-Bundestagsabgeordneten Susanne Menge.
Können wir Fliegen und Klimaschutz in Einklang bringen? Zu dieser Frage ist eine umfangreiche Debatte im Gange, bei der nicht zuletzt um Deutungshoheit und Image gerungen wird.
Glaubt man der Luftfahrtbranche, sei das alles kein Problem. Sie mischt in dieser Debatte lautstark mit und vermittelt den Eindruck, dies hinzubekommen und auf Kurs zu sein. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation Icao und der Internationale Verband der Fluggesellschaften Iata haben sich zu Klimaneutralität bis 2050 bekannt. Der Bundesverband der Deutschen Luftfahrtindustrie (BDLI) legte ein White Paper „Zero Emission Aviation“ vor, der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) einen „Masterplan“ mit „Maßnahmen für einen CO2-neutralen Luftverkehr“.
Woher kommt diese Zuversicht? Ganz einfach: Sie ist notwendig für das Geschäft. Denn zunehmend fließt das Geld dorthin, wo der Weg zur Klimaneutralität überzeugend dargestellt werden kann. Für kaum eine Branche ist das schwerer zu erreichen als für die Luftfahrt.
Auch wegen des wachsenden Klimabewusstseins der Kundschaft wird die Imagepflege immer wichtiger. Das zeichnet sich deutlich in der Werbung der Fluggesellschaften ab. Einige Kampagnen wurden inzwischen wegen irreführender Klimaaussagen gerichtlich oder anderweitig verboten, weitere Klagen laufen aus demselben Grund. Auch die Europäische Union (EU) moniert jetzt Greenwashing von Fluggesellschaften.
Die neue Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung (TAB) zeigt uns, woran wir wirklich sind. Denn das Fazit lautet: „Eine vollständig klimaneutrale Luftfahrt lässt sich ohne eine Kompensation der Emissionen, eine Entnahme von Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre sowie eine Vermeidung von Flügen beziehungsweise eine Verlagerung von Flügen auf andere Verkehrsträger nicht erreichen.“ Das heißt im Klartext: Eine klimaneutrale Luftfahrt, wenn es sie überhaupt gibt, ist bis 2050 nicht machbar.
Mit dieser Erkenntnis steht das TAB nicht allein. Dass die Klimaziele für den Luftverkehr nach heutigem Kenntnisstand bis 2050 nicht zu erreichen sind, sagen auch Forscherinnen und Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Zusammenhang mit der Studie DEPA 2050. Ein Riesenproblem ist das massive Verkehrswachstum. Damit können technische Neuerungen nicht annähernd Schritt halten. Schon allein die Trendumkehr stellt eine große Herausforderung dar. Ohne weitere Maßnahmen würde sich der CO2-Ausstoß des Luftverkehrs bis 2050 weltweit mehr als vervierfachen.
Was ist zu tun? An erster Stelle dürfen wir das Klimaproblem des Luftverkehrs nicht schönreden. Denn das verleitet zu falschen Schlüssen und Untätigkeit. Dank intensiver Forschungs- und Entwicklungstätigkeit gibt es zwar viele technische Verbesserungsmöglichkeiten. Diese kommen aber zu spät zum Einsatz.
Große Hoffnungen setzen wir alle außerdem auf alternative Treibstoffe. Aber auch deren Herstellung kommt nicht schnell genug in Gang. Außerdem sind unschädliche Grundsubstanzen und grüne Energie, die zu deren Herstellung benötigt werden, knapp und bilden bis auf weiteres einen limitierenden Faktor. Angesichts all dessen müssen wir jetzt die Dinge anpacken, die mehr oder weniger sofort umsetzbar sind. Das TAB bringt gute Vorschläge, zwei davon möchte ich hier nennen.
Besonders klimasensible Stellen am Himmel müssen durch kleine Umwege umflogen werden. Das mindert mit sofortiger Wirkung die sehr schädlichen sekundären Klimaeffekte, die durch die Kerosinverbrennung in großer Höhe entstehen. Der Aufwand wäre gering, die EU leitet bereits Vorkehrungen dafür ein. Der Internationale Airline-Verband aber, der bis 2050 klimaneutral werden will, hat sich schon aktiv dagegen in Stellung gebracht.
Ebenfalls einen großen Effekt auf die sekundären Klimaeffekte hätte eine bestimme Art der Kerosinreinigung. Das Verfahren ist verhältnismäßig einfach und verteuert das Kerosin nur geringfügig. Gleichzeitig würden wir den Menschen in den Flughafenregionen damit zu einer stark verbesserten Luftqualität verhelfen.
Für all das setzen wir uns ein. Hinderlich ist aber, dass Teile der Branche gerne auf Technologien setzen, die in ferner Zukunft liegen und sich zugleich gegen das wehren, was sofort getan werden könnte. Passend ist an dieser Stelle die Weigerung der Münchner CSU zu nennen, Ultrafeinstaubemissionen am und um den Münchner Flughafen zu messen.
Neben alldem liegt eines auf der Hand. Bis auf weiteres ist das, was am meisten hilft, weniger fliegen. Wir arbeiten hart daran, dass es attraktive oder zumindest zumutbare Alternativen zum Fliegen gibt.
Der Link zum Artikel:
Zur Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag gelangen Sie hier: TAB - Service - News - Innovative Antriebe und Kraftstoffe für eine klimaverträglicheren Luftverkehr (tab-beim-bundestag.de)