Mit einem globalen Fonds für soziale Sicherung lässt sich Armut bekämpfen und Ungleichheit beseitigen. Mein Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau.
Am Montag, am Welttag der sozialen Gerechtigkeit, haben die Vereinten Nationen an die sozialen Ungleichheiten auf unserem Globus erinnert. Es ist ein himmelschreiender Skandal, dass viele Millionen Menschen auf der Welt und vor allem im globalen Süden in extremer Armut leben müssen angesichts des Reichtums, der vielerorts herrscht.
Dabei gibt es bereits seit langem einen breiten Konsens, dass gegen die globale Armut dringend etwas unternommen werden muss – nicht zufällig steht gerade dies an der Spitze der bis zum Jahr 2030 zu erreichenden Ziele nachhaltiger Entwicklung der Vereinten Nationen (UN).
Insbesondere durch Investitionen in Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung lassen sich nachhaltige Fortschritte im Kampf gegen Armut und soziale Ungleichheit sowie beim Aufbau krisenrobuster Gesellschaften erzielen. In Deutschland bringen wir deshalb beispielsweise Instrumente der sozialen Sicherung wie Krankenkassen oder Kindergrundsicherung sind nicht überall auf der Welt gegeben. Auch weil sich viele Staaten aufgrund von massiver Verschuldung und immer höherer Zinsen dies schlicht nicht leisten können.
Im Koalitionsvertrag haben wir uns als Ampel darauf verständigt, einen Beitrag dazu zu leisten, dass sich dies ändert. Mittelfristig muss jeder Staat selbst seine Sozialsysteme finanzieren, etwa indem er Kranken- und Rentenversicherungen einführt.
Für einige Niedrigeinkommensländer braucht es aber anfangs eine vorübergehende Kofinanzierung durch die internationale Gemeinschaft. Diese Länder sollen laut Koalitionsvertrag durch ein internationales Finanzierungsinstrument, einen Global Fund for Social Protection, unterstützt werden.
Ein solcher Fonds wird bereits seit längerem von UN-Menschenrechtsexpert:innen und zivilgesellschaftlichen Gruppen gefordert. Er ließe sich unter dem Dach des 2021 vom UN-Generalsekretär Antonio Guterres vorgeschlagenen Global Accelerator on Jobs and Social Protection for Just Transitions einrichten.
Ziel ist es, durch eine Kombination nationaler und internationaler Maßnahmen die Lücke im Bereich der globalen sozialen Sicherung zu schließen und so die bisher nicht abgesicherte Hälfte der Weltbevölkerung – vier Milliarden Menschen – zusätzlich sozial abzusichern. Das mag ambitioniert klingen – ist aber die richtige Antwort auf die gewaltigen Herausforderungen, mit denen die Weltgemeinschaft konfrontiert ist. Die G7-Regierungen haben sich – nicht zuletzt auf Betreiben der Bundesregierung – letztes Jahr der Initiative von Guterres angeschlossen.
Im Sinne einer machtkritischen und damit feministischen Entwicklungspolitik müssen wir in der internationalen Armutsbekämpfung endlich die alten, paternalistisch geprägten Machtstrukturen überwinden. Wir müssen vom Narrativ der "Hilfe" des Globalen Nordens für den Globalen Süden wegkommen und aufhören, neue Abhängigkeiten zu schaffen.
Arme Staaten des Globalen Südens sollten sich um die öffentliche Daseinsvorsorge und soziale Sicherung ihrer Bevölkerung kümmern können. Momentan ist das oftmals so nicht möglich, da sie stattdessen massive Schuldenrückzahlungen bedienen müssen. Um das zu ändern, muss mittel- und langfristig nicht weniger als das globale Handels- und Finanzsystem reformiert werden. Nur so erlangen auch Niedrigeinkommensländer wirklich wirtschaftliche Souveränität.
Kurzfristig braucht es starke öffentliche soziale Sicherungssysteme. Ihre Finanzierung sollte nicht primär über geberdominierte Finanzierungsmechanismen wie etwa klassische Weltbank-Fonds erfolgen. Über die grundlegenden Fragen der internationalen Armutsbekämpfung – also auch über die Finanzierung – müssen die Vertreter:innen der Regierungen aus dem Globalen Norden und Süden sowie zivilgesellschaftliche Organisationen als gleichberechtigte und solidarische Partner entscheiden können.
Vorbilder gibt es durchaus, wie etwa den Global Fund to Fight Aids, Tuberculosis and Malaria oder den Pandemic Fund. Die Ausgestaltung der jeweiligen nationalen sozialen Sicherungssysteme obliegt dabei selbstverständlich den jeweiligen Gesellschaften selbst.
Im Jahr 2024 werden Deutschland und Namibia gemeinsam den Vorsitz beim UN Summit of the Future haben. Wenn dort nach multilateralen Lösungen für eine bessere Zukunft gesucht wird, wird auch die Erneuerung des globalen Gesellschaftsvertrages eine wesentliche Rolle spielen.
Für die Bundesregierung bietet sich damit die Chance, mit Vorschlägen zu einem zeitgemäß gestalteten Global Fund for Social Protection wichtige Akzente zu setzen und damit einen Beitrag zu mehr internationaler sozialer Gerechtigkeit zu leisten.