Susanne Menge stimmte gegen den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes und des Energiewirtschaftsgesetzes (BT-Drucksache 20/7279 und BT-Drucksache 20/7365). Hier finden Sie die von ihr unterzeichnete persönliche Erklärung.
1. LNG-Überkapazitäten
Versorgungssicherheit ist ein hohes Gut und zu gewährleisten. Das im letzten Jahr verabschiedete LNG-Beschleunigungsgesetz ist eine Reaktion auf den Wegfall der russischen Gaslieferungen nach Deutschland und deren völlige Einstellung im September desselben Jahres. Das Gesetz beschleunigt die Genehmigungsverfahren sowohl für mobile Terminals (FSRUS) als auch für drei stationäre Terminals (Brunsbüttel, Stade, Wilhelmshafen).
Die Situation der Energieversorgung in Deutschland stellt sich im Juli 2023 anders dar als bei der Verabschiedung des LNG-Beschleunigungsgesetzes im Mai 2022. Die Gefahren, die in der Gesetzesbegründung im Mai 2022 genannt werden („Bereits im Winter 2021/2022 war die Versorgung Deutschlands mit Erdgas durch geringe Speicherfüllstände gekennzeichnet. Im Falle einer kurzfristigen Unterbrechung oder eines Komplettausfalls russischer Gaslieferungen, würde eine hinreichende Befüllung der Speicher im Sommer in Vorbereitung auf den nächsten Winter jedoch unmöglich; u. a. die Erfüllung der mit dem Gasspeichergesetz und der geplanten EU-Regulierung gesetzten Füllstandsvorgaben stünde in Gefahr. […] Im Ergebnis könnte die staatliche Daseinsvorsorge- und die Energieversorgung für die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland dann nicht mehr gewährleistet werden.“), konnten dank des beherzten gemeinsamen Handelns der Regierungskoalition abgewendet werden.
Es ist unstrittig, dass die theoretisch möglichen Kapazitäten der Terminals die weggefallenen russischen Gaslieferungen bei Weitem überschreiten werden. Gemäß des Berichts des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz an den Haushaltsausschuss vom 3. März 2023 ergibt sich ein Sicherheitspuffer bzw. eine mögliche Überkapazität von bis zu 42 bcm (8,1 Risikoaufschlag und 34,4 Überschusskapazitäten) bis 2030. Es besteht Einigkeit, dass diese Kapazitäten nicht 100 Prozent ausgeschöpft werden sollen, sondern für Extremsituationen als Versicherung zur Verfügung stehen sollen (kalte Witterung, Wegfall von Gaslieferungen aus Nachbarländern, Schließung der Ukraine-Route etc.).
Dass die verfügbaren Überkapazitäten nur für Notsituationen genutzt werden und nicht zu einer übermäßigen Nutzung von Erdgas führen, die den gesetzlich verankerten Klimazielen im Klimaschutzgesetz entgegen steht, kann aktuell nicht sichergestellt werden. Der Grund dafür ist die Möglichkeit, fossiles Erdgas in den Anlagen bis zum Jahr 2043 zu nutzen (§ 5, Absatz 1, Satz 4).
Außerdem fehlen weitere Haltelinien in bestehenden Verordnungen. Die Verordnung zu regulatorischen Rahmenbedingungen für LNG-Anlagen (LNG-Verordnung – LNGV) der Bundesnetzagentur legt fest, dass 90 Prozent der Kapazitäten eines Importterminals langfristig gebucht werden können (§ 8 Abs. 1 LNGV). Somit erlaubt die aktuelle Regulierung eine langfristig hohe Auslastung, die der für die Erreichung der Klimaziele notwendigen, stetigen Reduktion des Erdgaseinsatzes ebenso entgegensteht wie dem erklärten Ziel der Bundesregierung, Kapazitäten als Reserve für Notfälle vorzuhalten. Es gibt außerdem einen wirtschaftlichen Anreiz für die Terminalbetreiber ihre Terminals voll auszulasten.
Weiterhin ist festgelegt, dass für 20 Prozent dieser langfristig buchbaren Kapazitäten die Höchstbuchungsdauer maximal 15 Jahre betragen darf (§ 5 Abs. 5 LNGV). Es ist aktuell nicht in der Verordnung festgelegt, dass nur ein geringer Teil der Kapazitäten langfristig vergeben werden darf, während der Großteil für kurzfristige Buchungen reserviert werden sollte, die dann mit sinkendem Gasverbrauch nach und nach reduziert werden können. Das zeigt: Regulatorische Maßnahmen zur Sicherstellung der Reservefunktion von LNG-Importkapazitäten, die klimakompatible Pfade übersteigen, sind möglich, diese Möglichkeit werden aber nicht ausreichend genutzt.
Eine Strategie für Versorgungssicherheit benötigt auch eine Versicherung gegen Gasüberkapazitäten in der Zukunft, sowohl für Deutschland als auch ganz Europa und für die Einhaltung des Klimaschutzgesetzes und des Ziels der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 und in der EU bis 2050. Zahlreiche Nachbarländer von Deutschland (Polen, Niederlande, Belgien) planen selbst ihre LNG-Terminalkapazitäten erheblich auszuweiten. Bisher gibt es innerhalb der EU noch keine abgestimmte Planung zur Vermeidung von fossilen Überkapazitäten bei Flüssiggasterminals. Damit drohen innerhalb der EU erhebliche unnötige Überkapazitäten aufgebaut zu werden. Vor diesem Hintergrund lehne ich die beschleunigte Schaffung weiterer LNG-Importüberkapazitäten in Deutschland ab.
2. Standort Mukran
Für den Standort Mukran wurden von der Bundesnetzagentur in ihrer Stellungnahme[1] vom 15. Mai 2023 als Grund für eine Aufnahme des Standorts in das LNG-Beschleunigungsgesetz die Notwendigkeit eines Standorts im Osten Deutschlands in der Heizperiode 2023/2024 genannt. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit kann eine Fertigstellung des Standortes Mukran und eine Anlandung von Flüssiggas vor der Heizperiode 2023/2024 jedoch laut Aussage der Bundesregierung nicht sichergestellt werden und ist mit hohen Unsicherheiten behaftet. Daher ist der Nutzen einer Fertigstellung des Terminals durch eine Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens den Gefahren eben dieser Beschleunigung gegenüberzustellen, dem berechtigten Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Beteiligung sowie der Abwägung von umwelt-, und naturschutzfachlichen Aspekten und der Gefahr zu schnell zu viele Überkapazitäten aufzubauen (siehe Punkt 1). Der Bau der Pipeline rund um Rügen nach Lubmin geht durch sensibles ökologisches Gebiet und führt dort zumindest während der Bauphase zu Beeinträchtigungen. Zudem entstehen den Gaskund:innen durch den Bau der Pipeline Kosten von ca. 1,4 Mrd. Euro, die durch höhere Netzentgelte von allen Gaskunden gezahlt werden müssen. Ich komme in der Abwägung zu dem Punkt, dass für mich die Gründe für ein ordentliches Verfahren überwiegen. Daher sehe ich keinen Grund darin, den Standort Mukran auf Rügen in das LNG-Beschleunigungsgesetz aufzunehmen.
Ich lehne den Entwurf zur Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes daher ab.
[1] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/LNGAnlagen/Stellungnahme_LNG_Terminals.pdf?__blob=publicationFile&v=4